Künstlerische Bildung des Übergängigen

Wesentlich sind Formen des Übergangs zwischen den Systemen, Dramaturgien, Handlungschoreografien, Performanzen und Aufführungspraxen an der Schnittstelle kontroverser Selbstverständnisse, die unkonventionelle Verbindungen schaffen. Der Kongress wird von der Absicht getragen, neben der Sichtung wesentlicher Beispiele, die Entwicklung einer nachhaltigen künstlerischen Bildung des Übergängigen zu motivieren. Der gegenwärtige und zukünftige Diskurs der kulturellen Bildung muss sich nunmehr verstärkt den Fragen nach Vermittlungskompetenzen und -qualitäten der in die jeweiligen Projekte involvierten KünstlerInnen und KunstpädagogInnen widmen!

Bisher ist er weitgehend im Hinblick auf rechtliche, finanzielle und organisatorische Fragen wie auch kulturpolitische und bildungspolitische Aspekte geführt worden. Die in die jeweiligen Prozesse involvierten KünstlerInnen und KunstpädagogInnen, die eine gelingende Kulturarbeit im Schnittstellenbereich von Schule und außerschulischen Bildungsorten und -institutionen bewerkstelligen, sind im Diskurs deutlich unterrepräsentiert. Vor dem Hintergrund der auch seitens der OECD (Winner, E., T. Goldstein and S. Vincent-Lancrin (2013), Art for Art’s Sake? Overview, OECD Publishing) eingeforderten nachhaltig gelingenden kulturellen Bildungsarbeit müssen weitaus größere Anstrengungen hinsichtlich der Entwicklung und Erprobung von übergangsfähigen didaktisch-methodischen Konzepten unternommen werden.

Die Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg liefern als bildungswissenschaftliche Hochschulen, als Orte des Lehrens und Forschens in allen bildungs- und erziehungswissenschaftlichen Feldern, das hierfür nötige Hintergrundwissen, zumal an ihnen Bildungsgänge bereitgestellt werden, die zukünftig Tätige optimal auf diese Aufgaben vorbereiten können. Das Institut für Kunst an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe bringt die hier geforderte Expertise für den Schnittstellenbereich einer Didaktik der Kunst im Kontext der kulturellen Bildung in Forschung und Lehre ein. Dank der von ihm geplanten und durchgeführten Symposien und internationalen Kongresse mit Adressierung von Kunstpädagogik und Kunstvermittlung - und unter Einbezug europäischer und nationaler KünstlerInnenverbände DKB, BBK, Gedok und IGBK - konnte der nationale und internationale kunstpädagogische Diskurs immer wieder mit wesentlichen Impulse bereichert werden. Längerfristige Ziele des Kongresses sind die Einrichtung von institutionell verankerten berufsbegleitenden Qualifizierungsmaßnahmen und Fortbildungen von KünstlerInnen, Kulturschaffenden und Lehramtsstudierenden an Ganztagesschulen sowie im Schnittstellenbereich von Schule und außerschulischen Lernorten.

Guter und daher auch anspruchsvoller Kunstunterricht bzw. Kunst(v)ermittlung bedarf, wenn auch jeweils in und außerhalb der unterschiedlichsten Institutionen mit den unterschiedlichsten Zielgruppen veranstaltet, einer permanenten kritischen Selbstreflexion. Diese erstreckt sich auf die Inhalte, Ziele und Mittel – und den organisatorischen Rahmen – der Ver-Mittlungsarbeit. Künstlerische und kunstpädagogische Selbstverständnisse ruhen, inklusive ihrer systemischen Antagonismen und Spannungsverhältnisse, hierbei auf (auf)geklärten Begriffen auf, die ihre jeweilige Relevanz und Aktualität den sich wandelnden gesellschaftlichen und individuellen Zeiten und Räumen verdanken, unter und in denen sie sich jeweils konstituieren und verändern. Kunstunterricht bzw. Kunstvermittlung geschehen weder als Meisterlehre, noch mittels Handauflegen, Zuruf oder per intergalaktischer Arbeitsanweisung: „Fremde Wesen befahlen: Linke obere Ecke gelb anmalen!“ (Siegmar Polke). Sie verdanken sich mehr denn je einer eingehenden Beschäftigung mit der Frage, inwiefern künstlerische Erkenntnis- und Bedeutungserzeugung trotz aller Unverfügbarkeit ästhetisch-künstlerische Denk- und Handlungsprozesse in pädagogisch begleiteten Vermittlungsprozessen grundieren und für die Adressaten nachhaltig werden lassen kann.

Herausforderungen für Kunst und Pädagogik

Die Herausforderungen, vor denen bzw. in denen wir alle stehen, sind groß, wenn es darum geht, das Spannungsverhältnis von Kunst und Pädagogik neu zu beleuchten und die hier einzuwebenden weiteren, aktuellen Fragestellungen bzw. Herausforderungen wie u.a. Inklusion/Exklusion, Migration, Diversität und Heterogenität, Transkultur und Heteronormativität für ästhetisch-künstlerische Bildungsprozesse einzuweben und kritisch zu bedenken.

Wie muss kunstpädagogische bzw. kunstvermittelnde Professionalität im formellen, non-formellen und informellen Kontext heute gedacht werden? Welche Begriffsverständnisse sind im Hinblick auf Menschenbild, Bildungs- und Lernverständnis zu entwickeln? Welches Kulturverständnis ist grundlegend? Wie helfen hier die diversen Kulturbegriffe weiter? Wie verhalten sich hierzu die erkenntnis- und bedeutungsstiftenden Prozesse der bildenden Kunst? Ist mit dem an sie ergehenden Bildungsauftrag die grundsätzliche Autonomie der Kunst gefährdet? Welche(r) Kunstbegriff(e) und Werkbegriff(e) sind hier in Anschlag zu bringen? Wie verhält sich zu alledem eine künstlerische Kunstpädagogik bzw. künstlerische Bildung? Welches didaktische und methodische Verständnis wäre hier zu entwickeln? Wie geschieht hier Lehren und Lernen, wie die Herstellung und Aneignung von (neuem) Wissen? Wie müssen vor diesem Hintergrund künstlerisch-pädagogische Weiterbildungskonzepte von KünstlerInnen, Kulturschaffenden und KunstpädagogInnen bzw. KunstvermittlerInnen konzipiert werden? Dies ist eine Reihe von Fragen, die es zur Grundlage der Vorträge und zur gemeinsamen Arbeit zu machen gilt!

Die Konzeption der künstlerischen Bildung bzw. der künstlerischen Kunstpädagogik legt hierzu seit nahezu 20 Jahren anregende Vorschläge vor, wenn sie den Blick von der dominanten erziehungswissenschaftlichen Umklammerung der Kunst wegwendet und die bildenden Potenziale der Kunst selbst sehr genau fokussiert. Das hat Konsequenzen für ein verändertes künstlerisches und pädagogisches Selbstverständnis der involvierten KunstpädagogInnen und VermittlerInnen. Auch wenn die Kunstvermittlung das Pädagogische in ihrer Selbstbeschreibung zunächst ausklammert, muss sie sich ebenfalls mit der Frage befassen, inwieweit sich die hier involvierten Akteure in einem verantwortungsvollen Kommunikations- und Interaktionsgeschehen befinden, das sich pädagogischer Expertise nicht entziehen kann. Infolgedessen tritt neben das Was? der Vermittlungsarbeit vor allem die Frage nach dem kunstdidaktischen und methodischen Wie? hinzu.

 

Im Rahmen des Kongresses werden vier wissenschaftlich-fundierte Weiterbildungskonzepte zur pädagogischen Professionalisierung von Kulturschaffenden vorgestellt.
Kunst_Rhein_Main, Leitung Prof. Dr. Kristin Westphal
Artpaed, Leitung Prof. Dr. Elke Josties
aesth paideia, Leitung Marion Kußmaul / Prof. Dr. Christian Widdascheck
d.art, Leitung Prof. Dr. Joachim Ludwig

 

Alle Vorträge und die Ergebnisse des Kongresses werden in einem Tagungsband publiziert, der in der Reihe "Kunst und Bildung" im ATHENA Verlag Oberhausen, erscheinen wird.